Romaissa, ein junges Mädchen aus Tunesien, liest aus ihrem Koran.
Hans Peter Stauffer
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Erlebnisbericht: Kinder der Welt Teil 3

25.02.2025
Hans Peter Stauffer
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Mit nur drei Jahren wurde Romaissa auf dem Zebrastreifen von einem Auto angefahren und am Kopf verletzt. Der behandelnde Arzt war neben der Familie die grosse und wichtige Stütze im jungen Leben von Romaissa und nach der Genesung stand für das kleine Mädchen fest: Ich möchte so sein wie der Arzt und Kindern helfen, die bei einem Unfall verletzt wurden.

Das Wichtigste in Kürze

Wenn es einfach schnell gehen soll, dann findest du in diesem Kasten die Hauptaussagen des Artikels:

  • Romaissa aus Sousse, Tunesien.
  • Sie möchte später Medizin studieren und Ärztin werden.
  • Die islamische Religion weckt ihr Interesse.

Traumberuf Ärztin

Dass man für ein Medizinstudium gute Noten braucht, weiss sie und so gibt sich Romaissa schon während den ersten Schuljahren grosse Mühe. Sie mag Arabisch und Englisch und findet den Mathematikunterricht sehr interessant. Am wenigsten mag sie Sport, irgendwie sind die Erinnerungen an den Unfall noch zu präsent und das kleine Mädchen ist sehr vorsichtig.

Religionsunterricht

Zweimal in der Woche geht sie mit Gleichaltrigen in die Medrese, die Koranschule. Wer das Wort Koranschule hört, denkt unweigerlich an eine Ausbildungsstätte für künftige islamistische Terroristen. Aber eine Schule, ein Fach, in dem Religion gelehrt wird, hilft, die Kultur des Landes zu verstehen, in dem wir leben. Ich selbst gehöre der älteren Generation an und erinnere mich noch gut daran, dass wir in der Primarschule und später auch in der weiterführenden Schule ein festes Fach Religion hatten, das aber nur für die Schüler katholischen Glaubens war. Die wenigen Protestanten, die damals im katholischen Kanton Luzern wohnten, erhielten ihren Religionsunterricht ausserhalb der Schulzeit, meist an einem Samstag, im jeweiligen Pfarrhaus. Sie freuten sich über die freien Schulstunden und wir vermissten die Kollegen beim Samstagsspiel.

In islamischen Ländern ist es heute noch gang und gäbe, dass die Kinder ausserhalb der Schulzeit die Koranschule besuchen. Dabei geht es nicht nur darum, die Suren des Koran auswendig zu lernen, sondern in Ländern, wie Tunesien, bildet die Religion ein fester Bestandteil der Kultur und somit des täglichen Lebens.

So besucht Romaissa, seit sie in der Grundschule ist, auch eine Koranschule, so wie es vor ihr auch die grösseren Geschwister taten. Romaissa hat einen grossen Bruder und zwei ältere Schwestern, mit denen sie auch das Schlafzimmer teilt. Die Eltern und die Familie von Romaissa sind alle sehr religiös und beten mit den Kindern die vorgeschriebenen täglichen fünf Gebete. Die Eltern reisten auch schon nach Mekka, da kam die Lieblingstante der Kinder sie hüten. Der Grossvater väterlicher Seite ist Imam in seiner Stadt.

Romaissa ist 9 Jahre alt und geht in die 3.Grundschule. In der Schule sind Mädchen und Jungen in einer Klasse, der Religionsunterricht findet getrennt statt. Bei den Mädchen unterrichtet auch eine Lehrerin und die Mädchen tragen das traditionelle Kleid und das Kopftuch. Im Klassenzimmer gibt es weder Pulte noch Stühle, die Kinder sitzen auf dem Boden, vor sich den Koran, neben sich ein Heft für Notizen. Der Koran ist das heilige Buch des Islam. Dementsprechend wird er mit Respekt behandelt und es werden keine Notizen in das Buch geschrieben. Am ersten Tag liest die Lehrerin eine Sure oder einen Vers vor. Dabei ist es wichtig, dass die Aussprache stimmt, da der Koran in Hocharabisch geschrieben ist und die Betonung in dieser Sprache ist sehr wichtig. Bis zum nächsten Unterrichtstag üben die Schüler die richtige Betonung. In der nächsten Stunde erklärt die Lehrerin, was die Kinder noch nicht verstanden haben und gibt Beispiele aus dem Alltag, um es besser zu begreifen. So durchlaufen die Kinder in der Grundstufe den gesamten Koran und versuchen, das Wort Gottes zu beherrschen.

Der hellste Stern am Himmel

Für Romaissa ist es selbstverständlich, zu Hause mit Mutter und Vater den Koran zu zitieren, dann Englisch zu lernen und gemeinsam Kinderbücher zu lesen. Es wird der Tag kommen, an dem Romaissa wieder angstfrei aus dem Haus geht und die Angst vor den Autos einem normalen Respekt weicht. Denn der Name Romaissa bedeutet: der hellste Stern am Himmel!

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