
Übertourismus – wie zu viel Tourismus schadet
Hast du den Ausdruck „Massentourismus“ schon einmal gehört? Und kannst du dir vorstellen, was dies bedeutet? Nun hat sich in letzter Zeit sogar die Steigerung von Massentourismus verbreitet: Übertourismus (englisch: Overtourism) ist das neue Schlagwort. Dabei geht es vor allem darum, wie gewisse Orte oder Attraktionen von Touristen überschwemmt werden.
Das Wichtigste in Kürze
Wenn es einfach schnell gehen soll, dann findest du in diesem Kasten die Hauptaussagen des Artikels:
- Viele Orte rund um den Globus leiden unter Übertourismus.
- Das kleine Seedorf Iseltwald wird wegen einer TV-Serie von Touristen überflutet.
- Tourismus bringt nicht nur Geld, sondern auch Verschmutzung und Ärger.
Hier ein typisches Beispiel von Übertourismus an einem beschaulichen Ort in der Schweiz: Kennst du das liebliche Dorf Iseltwald am Brienzersee? Dort, aber auch an etlichen weiteren Schweizer Orten, wurde 2019 die koreanische TV-Serie „Crash Landing on You“ gedreht. Und in der Serie wurde die Liebesromanze nicht nur in Korea, sondern nach und nach in ganz Asien ausgestrahlt und zum Serienhit.
Crash Landing – und wie Iseltwald der Touristenflut begegnet
Danach setzte ein Run auf Iseltwald ein. Mehrheitlich asiatische Tourist*innen aus Ländern wie Saudi-Arabien, Indien, den Philippinen, Japan – und natürlich Korea überschwemmen heute noch das Seedörfchen. Es kam zu chaotischen Szenen mit unzähligen Bussen und Autos, die die engen Strassen verstopften. Und erst das Gerangel vor und auf dem kleinen Landesteg am See – wer wie und wann die besten Fotos und Filmszenen einfangen konnte!
Iseltwald hat der Touristenflut Einhalt geboten. Busse und Autos müssen nun ausserhalb des Dorfes gebührenpflichtig parkieren und die Touristen müssen ins Dorf hinunter laufen es sei denn, sie haben in einem Restaurant reserviert – dann bekommen sie einen Gratisparkplatz. Und noch eine weitere Einschränkung steht den Besuchern bevor: Um auf den kleinen Landesteg zu gelangen muss ein Drehkreuz passiert und 5 Franken Gebühr pro Person entrichtet werden. Seit diesen Massnahmen hat sich die Lage gebessert – auch wenn die Serienliebhaber vor dem Drehkreuz manchmal noch bis zu 2 Stunden anstehen müssen – dies aber dafür gerne in Kauf nehmen…
Demonstrationen gegen den Übertourismus
Es gäbe noch weitere Schweizer Orte aufzuzählen, die von Touristenmassen überrannt werden wie etwa Zermatt, wo die ca. 5000 Einwohner in der Hochsaison über 30,000 Touristen gegenüberstehen. Oder wenn du an bestimmten Tagen zum Jungfraujoch hinauf möchtest, aber keine Reservation für die Bahnen getätigt hast, kann es sein, dass du zuerst in Grindelwald und dann noch einmal in der Station Eigergletscher jeweils rund eineinhalb Stunden anstehen musst.
Übertourismus wird von der Welttourismusorganisation UNTWO als „die Auswirkung des Tourismus auf ein Reiseziel oder Teile davon, die die wahrgenommene Lebensqualität der Einwohner und/oder die Qualität der Besucher Erfahrungen übermässig beeinflusst, und zwar in einem Ausmass, dass sie das tägliche Leben der Einwohner und/oder die Fähigkeit der Besucher, das Reiseziel zu geniessen, stört“. Dies geschieht weltweit – und Einhalt, so wie in Iseltwald wird nur selten geboten. Nehmen wir das Beispiel Venedig: Jährlich kommen rund 30 Millionen Besucher in die Lagunenstadt. In der Innenstadt lebten 1951 noch 175'000 Menschen. Im Jahr 2022 waren es nur noch 50'000 – viele Einheimische sind weggezogen, weil das Leben in der Stadt zu teuer wurde. Der Tourismus mit all seinen Auswirkungen hat viele Einwohner verdrängt. Wer nun nach Venedig hinein möchte, muss sogar eine Eintrittsgebühr zahlen..
Oder Palma de Mallorca: Im Sommer 2017 lagen an manchen Tagen bis zu sieben grosse Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen. Zusätzlich feierten viele Tourist*innen laut und rücksichtslos im Osten der Stadt, am sogenannten „Ballermann“ – sehr zum Ärger der einheimischen Bevölkerung. Im Mai 2024 kam es deshalb zu Demonstrationen mit rund 10'000 Teilnehmer*innen. Die lokale Bevölkerung protestierte gegen die Auswüchse des Massentourismus. Angeprangert wurden überteuerte Wohnungen, Umweltverschmutzung, überfüllte Strände und Trinkwasserknappheit.
No List, nicht besuchenswerte Orte
Es gäbe weltweit noch zahlreiche Orte und Länder aufzuzählen. Als Gegenentwurf zur gängigen Reiseliteratur mit Listen der schönsten Zielorte gibt es inzwischen Veröffentlichungen, die diejenigen Destinationen aufzählen, die wegen eines zu hohen Aufkommens an Touristen nicht empfohlen werden. Der englischsprachige Verlag für Reiseliteratur Fodor’s, veröffentlicht alljährlich die sogenannte „No List“. Wegen Übertourismus sowie weiterer Kriterien wie zum Beispiel Sicherheit, ökologische Belastungen, wird von einem Besuch abgeraten.
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