Mogelpackung; Preistreiber; gefährlich; extrem...?

26.05.2021
Christoph Kuhn
Hören Sie

Sicher hast du in letzter Zeit solche Plakate, wie oben auf dem Bild gesehen, die an fast jedem Bauernhof hängen. Was hat es damit auf sich?

Am 13. Juni 2021 können die Schweizer Stimmberechtigten über fünf Vorlagen abstimmen:

1. Zwei Volksinitiativen zielen auf eine ökologischere Landwirtschaft:
- Die Trinkwasserinitiative will, dass Bauern Direktzahlungen vom Staat nur noch erhalten, wenn sie zusätzliche ökologische Regeln einhalten.
- Die Pestizid-Initiative will synthetische Pestizide in der Schweiz verbieten.

2. Covid-19-Gesetz: Das Parlament hat im Herbst 2020 ein Gesetz erlassen, das dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, weiterhin dringliche Massnahmen bei Pandemien (z.B. die Corona-Pandemie) zu erlassen, zum Beispiel finanzielle Unterstützung. Dagegen wurde das Referendum ergriffen, so dass wir jetzt darüber abstimmen können.

3. CO2-Gesetz: Dieses neu überarbeitete Gesetz soll die Schweiz in die Lage versetzen, bis 2030 nur noch halb so viel CO2 auszustossen wie 1990.

4. Terrorismus-Bekämpfung: Das PMT-Gesetz will der Polizei weitere vorbeugende Massnahmen erlauben, um Terrorismus «schon vor der Ausführung» zu bekämpfen.

Die Trinkwasser-Initiative

Umwelt und Trinkwasser sollen besser geschützt werden. Hierzu sollen Bauernbetriebe nur noch Direktzahlungen erhalten, wenn sie:

  • einen gewissen Teil ihres Landes für den Schutz der Artenvielfalt zur Verfügung stellen
  • pestizidfrei produzieren
  • auf einen vorbeugenden oder regelmässigen Einsatz von Antibiotika bei ihren Tieren verzichten
  • nur so viele Tiere halten, wie sie mit dem selbst angebauten Futter ernähren können. Damit wird die Menge an Dünger verkleinert

Argumente für die Trinkwasser-Initiative:

  • Pestizide, Antibiotika und Dünger belasten das Trinkwasser. Das führt zu Problemen für die Gesundheit der Bevölkerung und die Artenvielfalt.
  • Mit den Steuern finanziert die Bevölkerung die Umweltschäden mit. Die angepassten Regeln fördern eine nachhaltige Landwirtschaft.
  • Die Landwirtschaft trägt eine Verantwortung für künftige Generationen. Deshalb braucht es strengere Regeln.

Argumente gegen die Trinkwasser-Initiative:

  • Strengere Regeln schwächen die LandwirtInnen. Sie können weniger Lebensmittel produzieren.
  • Wird in der Schweiz weniger produziert, müssen mehr Produkte importiert werden. So steigt die Belastung der Umwelt im Ausland.
  • Für einige LandwirtInnen wird es zu teuer, die strengeren Regeln einzuhalten. Deswegen verzichten sie auf Direktzahlungen und produzieren umweltschädlicher.

Positionen:

  • Für die Trinkwasser-Initiative setzen sich ein: EVP, Grüne, Grünliberale, SP
  • Ein «Nein» empfehlen: FDP, Mitte (CVP), EDU, SVP, der Bauernverband, Bundesrat und Parlament

Mehr wissen?

  • Einfache, neutrale Abstimmungs-Informationen: easyvote (immer vor Abstimmungen und Wahlen)
  • Noch mehr Info; ebenfalls neutral: Vimentis (ebenfalls vor jeder Abstimmung und Wahl)
  • Alle Informationen des Parlaments: www.admin.ch. Dort findet man auch das offizielle «Abstimmungsbüechli» zum Herunterladen.
  • Für Tablets und Handys gibt es eine Abstimmungs-App des Parlaments (nur Info, nicht zum eigentlichen Abstimmen): VoteInfo.

Die Pestizidverbots-Initiative

Eine Initiative verlangt, dass in der Schweiz synthetische (künstlich erzeugte) Pestizide verboten werden. Zudem dürfen auch keine Lebensmittel mehr in die Schweiz eingeführt werden, die synthetische Pestizide erhalten oder damit behandelt wurden.

Argumente der BefürworterInnen

  • Synthetische Pestizide schaden der Gesundheit und der Artenvielfalt. Das passt nicht zu einer nachhaltigen Landwirtschaft.
  • Studien zeigen, dass synthetische Pestizide Krankheiten wie Krebs oder Parkinson auslösen können.
  • Das Zulassungsverfahren für Pestizide ist nicht streng genug. Deshalb trinken eine Million Menschen in der Schweiz verunreinigtes Wasser.

Argumente der GegnerInnen

  • Synthetische Pestizide sind wichtig für die Landwirtschaft. Ohne sie wird die Versorgung mit Lebensmitteln erschwert.
  • Das Verbot von synthetischen Pestiziden erhöht die Preise für Lebensmittel. Darunter leiden hauptsächlich Haushalte mit tiefem Einkommen.
  • Die höheren Preise sind ein grosser Nachteil für Schweizer Unternehmen, die Lebensmittel exportieren.

Positionen:

  • Für ein «Ja» treten ein: EVP, Grüne, SP
  • Ein «Nein» empfehlen: Mitte (CVP), FDP, EDU, SVP, Bundesrat und Parlament

Mehr wissen? – gleiche Links wie oben!

Covid-19-Gesetz

Der Bundesrat hat im Frühling 2020 beschlossen, von der Corona-Pandemie betroffene Personen und Unternehmen finanziell zu unterstützen und die medizinische Versorgung sicherzustellen. Um schnell reagieren zu können, hat er diese Regelungen per Notrecht beschlossen. Notrecht-Regelungen sind aber auf sechs Monate befristet.

Damit der Bundesrat die Regelungen danach weiterführen konnte, beschloss das Parlament Covid-19-Gesetz. Dieses wurde als dringlich erklärt und trat deshalb per sofort ab September 2020 in Kraft. Dagegen wurde das Referendum ergriffen, so dass wir jetzt über das Gesetz vom Herbst 2020 abstimmen können.

Der Bundesrat darf mit diesem Gesetz:

  • die Entschädigung bei Kurzarbeit erweitern;
  • Unternehmen und Arbeitnehmende entschädigen, die wegen der Corona-Einschränkungen nicht arbeiten dürfen oder können;
  • die Kantone bei der Entschädigung von Unternehmen unterstützen, die wegen der Corona-Einschränkungen weniger Einnahmen haben;
  • Kultur, Sportvereine und Medien unterstützen, die wegen der Corona-
    Einschränkungen weniger Einnahmen haben;
  • Ausnahmen bei der Zulassung von Medikamenten beschliessen. Ausnahmen bei der Zulassung von Impfstoffen sind nicht vorgesehen.

Die meisten Regelungen gelten voraussichtlich bis Ende 2021; einzelne Bestimmungen gelten bis Ende 2022.

Argumente der BefürworterInnen des Covid-19-Gesetzes

  • Für viele Personen und Unternehmen sind die Unterstützungen wichtig, damit sie vor finanzieller Not geschützt sind.
  • Die Annahme des Covid-19 Gesetzes verhindert, dass es zu Unsicherheit bei den Betroffenen kommt und Arbeitsplätze gefährdet werden.
  • Das Covid-19-Gesetz ist vom Parlament demokratisch beschlossen. Es stellt die Beteiligung der Kantone sicher.

Argumente der GegnegerInnen

  • Der Bundesrat hat sein Versprechen nicht gehalten. Er hat Notrecht beschlossen, ohne dass es notwendig war.
  • Parlament hat nicht geprüft, ob die beschlossenen Regelungen funktionieren. Das widerspricht der Verfassung.
  • Mit dem Covid-19-Gesetz können die Regelungen aus dem Notrecht immer weiter verlängert werden. Das ist eine Gefahr für die Demokratie.

Positionen:

  • Für ein «Ja» setzen sich ein: EVP, FDP, Grpüne, Grünliberale, die Mitte, SP Bundesrat und Parlament
  • Ein «Nein» empfiehlt die EDU
  • Die SVP hat «Stimmfreigabe» beschlossen (gibt keine Empfehlung ab)

Mehr wissen? – gleiche Links wie beim ersten Thema!

CO2-Gesetz

Das Parlament hat das bereits bestehende CO2-Gesetz etwas verschärft. Die Schweiz soll weniger CO2 ausstossen, um das internationale Klimaabkommen von Paris zu erfüllen, das sie 2015 unterschrieben hat: bis 2030 den CO2-Austoss im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Es geht darum, den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf der Erde bis dann auf +2°C zu begrenzen.

Das verschärfte Gesetz enthält Lenkungsabgaben, Investitionen in den Klimaschutz und Regelungen zum technischen Fortschritt.

Dazu zählen z.B.:

  • Lenkungsabgabe auf Flugtickets
  • Lenkungsabgaben z.B. auf Heizöl und Erdgas
  • Investition in neue Ladestationen für Elektroautos
  • Neue Regelungen für den Import von Fahrzeugen
  • Regelungen zum CO2-Ausstoss von Heizungen in Gebäuden.

Zwei Drittel des Geldes aus der CO2-Abgabe und mindestens die Hälfte des Geldes aus der Flugticketabgabe werden an die Bevölkerung zurückverteilt. Das Geld erhalten alle über die Krankenkassenprämie gutgeschrieben. Die Krankenkassenprämie wird also günstiger.

Das restliche Geld aus der CO2- und der Flugticketabgabe geht in einen Klimafonds. Mit dem Geld aus dem Klimafonds werden klimafreundliche Innovationen in den Bereichen Infrastruktur und Gebäude, innovative Firmen und besonders betroffene Regionen gefördert.

Gegen das neue CO2-Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Deshalb stimmen wir nun darüber ab.

Argumente der BefürworterInnen des CO2-Gesetzes

  • Der Klimawandel führt zu weniger Schnee und Trockenheit. Das ist für die Wirtschaft und die Bevölkerung teuer. Deshalb braucht es dieses Gesetz.
  • Das Gesetz unterstützt Unternehmen, die klimafreundliche Technologien entwickeln und nutzen. Das schafft Arbeitsplätze.
  • Das Gesetz ist fair. Wer z.B. nicht fliegt, bezahlt keine Flugticketabgabe. Wer wenig CO2 ausstösst, spart sogar Geld.

Argumente der GegnerInnen

  • Das neue Gesetz bringt höhere Abgaben und mehr Verbote. Das kann sich die Bevölkerung nicht leisten.
  • Die Schweiz hat kaum Einfluss auf das weltweite Klima. Um das Klima zu beeinflussen, müssen Länder wie China oder die USA weniger CO2 ausstossen.
  • Das CO2-Gesetz bekämpft den Klimawandel nicht. Es braucht radikal andere Lösungen, wie einen Systemwandel, um das Klima zu schützen.

PMT-Gesetz («Terrorismus-Bekämpfung»)

Die Polizei soll mit neuen Massnahmen vorbeugend eingreifen können, um terroristische Aktivität zu verhindern.

Das PMT-Gesetz sieht vor, dass Kantone, Gemeinden oder der Nachrichtendienst des Bundes Massnahmen folgende Massnahmen gegen eine Person (ab 12 Jahren) ergriffen werden:

  • Verpflichtung, regelmässig an Gesprächen mit Fachpersonen teilzunehmen
  • Verbot von Kontakt zu Personen, die z. B. terroristische Aktivitäten befürworten
  • Verbot der Ausreise aus der Schweiz
  • Verpflichtung, sich regelmässig bei einer Behörde zu melden
  • Verbot, bestimmte Orte zu betreten oder zu verlassen
  • Verhaften von Personen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit, um ihre Ausschaffung sicherzustellen
  • Hausarrest: Eine Person darf dann z. B. eine Wohnung nicht mehr verlassen. Der Hausarrest muss beim Gericht beantragt werden. Die andern Massnahmen kann die Polizei ohne Gerichtsauftrag verhängen.

Argumente der BefürworterInnen des PMT-Gesetzes

  • Die heutigen Massnahmen gegen terroristische Aktivitäten reichen nicht. Es braucht weitere Massnahmen, um die Bevölkerung zu schützen.
  • Bei jeder Person wird einzeln geprüft, ob härtere Massnahmen ergriffen werden müssen. Zuerst werden jeweils mildere Massnahmen angewendet.
  • Die Massnahmen schliessen eine Lücke in der aktuellen Strategie des Bundes zur Terrorismusbekämpfung.

Argumente der BefürworterInnen des PMT-Gesetzes

  • Die Definition von terroristischer Aktivität ist zu breit. Es ist willkürlich, ob eine politische Aktion als terroristische Aktivität gedeutet wird.
  • 12-Jährige können von den Massnahmen betroffen sein. Das verstösst gegen internationale Kinder- und Menschenrechte.
  • Das Gesetz ist gefährlich. Personen werden leicht verdächtigt, können ihre Unschuld aber nur schwer beweisen.

Ein Pro- und Contra Kommentar zum Thema MPT-Gesetz ist hier verfügbar:

Gastkommentare

Arbeitsmaterial cover
Gastkommentar-Pro
Arbeitsmaterial cover
Gastkommentar-Contra

Nun bist du dran

  • Was denkst du über die Themen im Allgemeinen?
  • Welchen Argumenten glaubst du, welchen weniger?
  • Woher kommt wohl das Geld, das in die Abstimmungs-Propaganda gesteckt wird?
  • Wie würdest du stimmen?
  • Was denken deine Freunde und deine Familie darüber? Welche Gefühle kommen auf, welche Diskussionen entstehen?
  • Zu den Trinkwasser- und Pestizid-Initiativen: Im Sommer 2020 wurde die «Agrarvorlage 2022+», die ähnliche, aber weniger «strenge» Ziele enthielt, im Ständerat (kleine «Kammer» des Parlaments) «versenkt». Erhöht das nun die Chancen dieser Initiativen?

Sprich darüber – und melde dich doch auch bei uns. Entweder mit einem Kommentar in der Kommentarspalte, auf Facebook oder durch unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Rückmeldungen.

Helfen Sie uns, Chinderzytig werbefrei und frei zugänglich zu halten!

Wir von der Chinderzytig möchten die Lesefreudigkeit fördern und nicht einschränken. Deshalb stellen wir unseren Inhalt gratis zur Verfügung.

Unterstütze uns