Das erste Zwischenzeugnis für den neuen US-Präsidenten Joe Biden

11.05.2021
Nicole Emch
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Seit mehr als 100 Tagen ist der neue Präsident der USA Joe Biden im Amt. Zeit für einen ersten Rückblick. Was sich im weissen Haus geändert hat und wie die US-Amerikaner und die Länder weltweit darauf reagieren, lest ihr hier.

Es hat Tradition, dass ein neuer Präsident in den USA nach 100 Tagen im Amt ein erstes Zwischenzeugnis erhält. Die USA und die Welt schauen darauf, was er bereits geleistet hat und was nicht. Bei Joe Biden war dieser Tag am 28. April 2021.

Was zuerst auffällt, es ist ruhiger geworden im Weissen Haus, dem Amtssitz des Präsidenten. Bidens Vorgänger Donald Trump hatte Twitter sehr oft genutzt. Er hat darüber politische Entscheidungen angekündigt, politische Gegner angegriffen und so manche Überraschung kommuniziert. Heute läuft alles wieder ruhiger und unaufgeregter ab, manche würden wohl sagen langweiliger.

Erfolge zeigen sich

Biden kann schon mehrere Erfolge vorzeigen. Vor allem in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die Impfkampagne läuft gut, 100 Millionen US-Amerikaner sind schon vollständig geimpft. 55% der Erwachsenen haben zumindest eine Impfung erhalten. Auch das öffentliche Leben kehrt langsam zurück, Restaurants, Museen etc. öffnen wieder. Das Ganze war allerdings nicht gratis. 1,9 Billionen Dollar kostet das Hilfspaket, das sind 1000 Milliarden, eine Eins mit 12 Nullen.
Vorwärts macht Biden auch beim Thema Klimaschutz. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit sind die USA dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten. Das Land ist also wieder bei den internationalen Bemühungen gegen den Klimawandel dabei. Das hat Biden auch bei einem virtuellen Gipfeltreffen mit zahlreichen Regierungschefs der grössten Länder wie China, Russland, Indien, Grossbritannien und der EU gezeigt. An dem Gipfel haben viele Länder ehrgeizige Ziele bekannt gegeben. Biden selbst will die Treibhausgas-Emissionen in den USA bis 2030 halbieren. Dafür muss er aber zuerst noch viele Leute im eigenen Land überzeugen. Viele haben nämlich Angst, dass durch den Wechsel zu klimaschonenderen Technologien Jobs verloren gehen.

Ganz allgemein will Biden die Zusammenarbeit mit anderen Ländern wieder stärken. In seiner Rede vor dem Kongress sagte er: «Wir führen die Welt wieder an».

Den Herausforderungen gestellt

Es gibt aber nach wie vor grosse Herausforderungen für den Präsidenten. Die Erneuerung der Infrastruktur des Landes (also zum Beispiel die Sanierung von Brücken, der Ausbau des Eisenbahnnetzes oder die Digitalisierung) ist eine. Die Mehrheit ist sich zwar einig, dass dies gemacht werden muss. Die Vorschläge von Biden gehen vielen aber zu weit, gerade weil sie auch klimaschützende Punkte enthalten. Auch in anderen Bereichen hat Biden ambitionierte, viele würden sogar sagen revolutionäre Pläne. Er will die Rolle des Staates stärken und weniger dem Privatsektor überlassen. Zum Beispiel soll die Schulbildung für alle zugänglicher werden, Eltern sollen ein Kindergeld erhalten. Es sind Vorschläge, die in Europa vielerorts schon lange Realität, in den USA aber neu sind.
Problematisch bleibt auch das Thema Migration. An der Südgrenze zu Mexiko sind so viele Menschen illegal in die USA gereist wie seit 20 Jahren nicht mehr. Politische Gegner von Biden sagen nun, er hätte die Grenze geöffnet. Das stimmt so nicht, aber Kinder und Jugendliche, die alleine reisen, werden nicht mehr einfach zurückgeschickt. Diese Nachricht hat sich auch in den Ländern Zentralamerikas verbreitet. Viele Menschen in Honduras, El Salvador oder Guatemala erhoffen sich jetzt eine erleichterte Einreise und machen sich deshalb auf den Weg. Biden hat nun seine Vizepräsidentin Kamala Harris beauftragt, eine Lösung zu finden.

Eine Umfrage unter den US-Amerikanern zeigt, dass 52% Prozent zufrieden sind mit ihrem neuen Präsidenten. 42% sind es nicht. Dieses Resultat zeigt auch eines der grössten Probleme, das Biden in seinen 4 Jahren als Präsident angehen will. Die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft. Dabei geht es auch um die Überwindung des immer noch vorhandenen Rassismus. Biden hat versprochen, dass er die US-Amerikaner versöhnen und wieder zusammenführen will. Um das zu schaffen, braucht er definitiv mehr als 100 Tage Zeit.

Wie reagiert die Welt auf den neuen Präsidenten?

Viele Regierungschefs und Politiker weltweit reagieren erleichtert auf den neuen Präsidenten. Die Handlungen der USA sind wieder voraussehbarer, es gibt weniger Überraschungen als noch bei Trump. Biden will die internationale Zusammenarbeit vorantreiben und sich nicht isolieren.

Problematisch ist hingegen die Beziehung mit Russland, seit dem kalten Krieg eine Art Erzfeind der USA. Manche haben Angst, dass diese Rivalität nun wieder stärker wird. Die US-Regierung hat Mitte April Sanktionen gegen Russland beschlossen und Diplomaten aus dem Land gewiesen. Der Grund dafür ist die angebliche Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf und Hackerangriffe. Auch dass Russland wieder Truppen an die Grenze zur Ukraine geschickt hatte, kommt in den USA gar nicht gut an. Russland kündigte Gegenmassnahmen an.
Die beiden Länder wollen aber im Gespräch bleiben. Biden hat ein Treffen im Sommer vorgeschlagen. Dieses soll in Europa stattfinden. Vielleicht sogar in der Schweiz. Mehrere Quellen sagen, dass die Schweizer Botschafter in den beiden Ländern eine offizielle Einladung in die Schweiz verteilt haben. Vielleicht führt eine der ersten Auslandsreisen des neuen US-Präsidenten also zu uns. Wir werden es sehen.

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