Das Privileg, lesen zu können

8.09.2021
Samira Lussi
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Heute ist Weltalphabetisierungstag. Dieser Tag soll an die Problematik des Analphabetismus, also nicht schreiben oder lesen zu können, erinnern. Denn aktuell können auf der Welt immer noch 750 Millionen Erwachsene nicht lesen oder schreiben. Die meisten von ihnen leben in Afrika oder Südasien. Aber auch in Europa hat eines von fünf Kindern Probleme beim Lesen.

Lesen und Schreiben zu können, das ist für viele von uns selbstverständlich. Stell dir vor, wie es wäre, wenn du dies nicht könntest. Du könntest dich nicht mit Freundinnen und Freunden austauschen, wüsstest nicht, wann der nächste Zug fährt und würdest viel weniger erfahren, was aktuell in der Welt geschieht.

Was ist Analphabetismus?

Analphabetismus wird in drei Kategorien unterteilt: Primärer, sekundärer und funktionaler Analphabetismus. Unter primärem Analphabetismus werden Personen zusammengefasst, die keinerlei Schreib- oder Lesefähigkeiten erworben haben. Der sekundäre Analphabetismus beschreibt Personen, die das zwar Lesen und Schreiben gelernt haben, dies jedoch wieder verlernt haben. Als funktionaler Analphabetismus gilt ein Mensch, dessen Lese- und Schreibfähigkeiten nicht ausreichen, um dem gesellschaftlichen Alltag gerecht zu werden.

Aktuell sind vom Analphabetismus 750 Millionen Menschen über 15 Jahre betroffen. Davon sind fast zwei drittel Frauen und 102 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Seit den 1990er Jahren hat sich der Anteil der Menschen, die nicht lesen können, jedoch deutlich verkleinert. In Südasien stieg beispielsweise die Alphabetisierungsrate zwischen 1900 und 2016 von 46 Prozent auf 72 Prozent. Trotz diesem deutlichen Anstieg lebten im Jahr 2016 in Südasien weiterhin fast die Hälfte aller Personen weltweit mit Analphabetismus.

Die Ursache für Analphabetismus ist nicht klar auszumachen. Armut ist sicherlich einer der Hauptgründe, warum Menschen der Zugang zu Lese- und Schreibunterricht verwehrt bleibt. Denn ihre Familien können das Schulgeld nicht bezahlen oder die Kinder müssen schon früh Arbeiten, um die Familien zu unterstützen. Ausserdem dürfen in manchen Regionen Frauen und Mädchen immer noch nicht zur Schule gehen. Auch in der Schweiz gibt es überraschend viele analphabetische Personen. 800’000 Erwachsene, das sind 14% der Bevölkerung, sind von einer Leseschwäche betroffen. Sie gehören also zu den funktionalen Analphabeten. Die Ursachen dafür liegen oft in gesundheitlichen oder familiären Problemen oder individuellen Eigenschaften wie Konzentrationsproblemen oder Lernschwierigkeiten.

Ein Recht auf Bildung

2015 haben die Vereinten Nationen die Agenda für nachhaltige Entwicklung beschlossen. Dies sind 17 Ziele, die von allen Mitgliedstaaten bis 2030 erfüllt werden müssen. Sie sollen die Würde der Menschen in den Mittelpunkt stellen, den Planeten schützen, Wohlstand und Frieden fördern und globale Partnerschaften aufbauen. Das vierte Ziel ist “Hochwertige Bildung” und fordert, dass alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene Zugang zu einer hochwertigen Bildung erhalten. Ein Teil davon ist, dass bis 2030 weltweit alle Jugendlichen, sowohl Männer wie Frauen, Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse erwerben sollen.

Ein positives Beispiel wie dieses Ziel erreicht werden kann ist Bolivien. Dort wurde ein Plan erstellen, der ausgeschlossene Gruppen wie zum Beispiel die indigene Bevölkerung, Menschen mit Behinderung oder Menschen die auf dem Land leben in die Schulen bringen soll. Der Pinto-Schulgutschein übernimmt zum Beispiel die Kosten für den Transport, Bücher und Schuluniformen von armen Kindern. Wichtig ist, dass die Eltern der Kinder keinen Verlust machen, wenn sie diese in die Schule schicken, anstatt dass sie bei der Feldarbeit helfen. Aber vor allem die Bildung der Mädchen ist für Entwicklungsländer wichtig. Denn gebildete Mädchen heiraten später, haben weniger Kinder und lernen, Krankheiten wie HIV oder Malaria vorzubeugen. Ihre Kinder wiederum sind gesünder, besser ernährt und besuchen häufiger die Schule. Bildung ist also eine wirksame Lösung gegen Armut.

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