Der Happy Slam

2.02.2022
Nicole Emch
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Schon bevor das erste Grand-Slam Turnier des Jahres in Melbourne vor zwei Wochen los ging, waren die Zeitungen voller Berichte zum Turnier. Anders, als dies normal der Fall sein sollte, ging es aber nicht um Tennis, sondern um die Einreise (oder eben nicht) von Novak Djokovic. Als es dann endlich los ging, boten die Spielerinnen und Spieler ein richtiges Spektakel. Zum Schluss gab es sowohl bei den Frauen wie auch bei den Männern historische Siege zu bejubeln.

Australien ist für viele ein Land der Träume, ein Ort, an dem sie unbedingt einmal hinwollen. Das Land der Kängurus, Koalas aber auch der vielen giftigen Spinnen und Schlangen mit seiner riesigen Landmasse bietet alles, was das Herz begehrt. Wunderbare Strände zum Baden und Surfen, aufregende Grossstädte, menschenleer Gebiete im Outback. Jeder kommt hier auf seine Kosten. Auch die meisten Tennisspielerinnen und Tennisspielern träumen davon, einmal nach Australien zu kommen. Denn in Melbourne, an der Südküste des riesigen Landes, findet mit den Australian Open jeweils im Januar das erste der vier Grand-Slam Turniere statt. Zusammen mit den French Open in Paris, dem Rasenturnier in Wimbledon und den US Open in New York gehört das Turnier in Australien zu den vier wichtigsten der Welt. Und die zwei Wochen in Melbourne sind beliebt. Viele Spielerinnen und Spieler sagen, es sei das sympathischste Turnier. Sie loben die gute Atmosphäre, die hilfreichen Volunteers und die tollen Fans. Nicht umsonst hat das Australian Open den Spitznamen «Happy Slam». Die australischen Fans machen die Matches zu kleinen Festen. Sie fiebern mit und feuern die Athletinnen und Athleten lautstark an. Dass sie aber auch anders können, zeigt sich jeweils, wenn ein Spieler oder eine Spielerin nicht gut ankommt. Dann kann es auch mal Buhrufe geben, wie dies zum Beispiel die Finalistin Danielle Collins erfahren musste.

Doch im Allgemeinen ist das Turnier jeweils ein richtiges Tennis-Fest. Die Vorfreude wurde 2022 aber arg getrübt. Das ganze Hin- und Her um die Nummer 1 Novak Djokovic, der zuerst mit einer Spezialbewilligung einreisen durfte, dann am Flughafen doch nicht weiterkam, eine Zeit lang ganz normal trainieren durfte und zum Schluss das Visum doch wieder annulliert bekam, abreisen musste und so seinen Titel nicht verteidigen konnte, beschäftigte die Medien, Sportlerinnen und Sportler sowie die Fans. Als das Scheinwerferlicht dann endlich aufs Tennis gerichtet wurde, schien es fast so, als wollten alle Anwesenden etwas gut machen. Die Matches waren zum Teil auf extrem hohem Niveau. Spektakuläre Ballwechsel, Breaks und Re-Breaks, ein stetes Auf und Ab hielt die Zuschauenden in Atem. Und zwei lieferten ganz besonders ab.

Barty und Nadal schreiben Geschichte

44 Jahre ist es her, dass zuletzt eine Australierin das Heimturnier in Melbourne gewinnen konnte. Am Samstag, 29.1.22 schaffte es mit Ashleigh Barty wieder einmal eine Einheimische zu siegen. Und wie sie das tat. Den ersten Satz gegen ihre amerikanische Gegnerin Danielle Collins gewann sie klar. Im zweiten holte sie einen 1 zu 5 Rückstand in den Games auf und gewann. Und dabei spielte sie immer dann ihr bestes Tennis, als es wirklich wichtig war. Dass der Druck einer ganzen Nation auf ihr lastete, die von der Favoritin von Turnierbeginn weg nichts anderes als den Sieg erwartete, liess sie sich nicht anmerken. Schon so lange hatten die sportbegeisterten Aussies auf einen Sieg gewartet, als dieser dann Tatsache war, verwandelte sich das Stadion in ein Tollhaus und die «Barty-Party» kam so richtig in Gang. Speziell ist der Sieg von Ash, wie sie genannt wird, nicht nur, weil sie damit eine lange Durststrecke beenden konnte. Durch ihre Urgrossmutter hat sie Aborigine-Vorfahren. Die Ureinwohner Australiens haben leider immer noch oft einen schwierigen Stand in der Gesellschaft. Als im 18. Jahrhundert die Europäer Australien kolonialisierten, wurden die Aborigine welche seit 50'000 Jahren auf dem Kontinent leben, hart getroffen. All ihre Rechte auf das Land, das sie seit Jahrtausenden bewohnten, wurden aberkannt, Stämme vertrieben und gejagt. Noch im 20. Jahrhundert wurden tausende Aborigine-Kinder den Eltern weggenommen und in Heime platziert. Erst langsam setzt sich Australien mit diesem dunklen Kapitel der eigenen Geschichte auseinander, so dass eine Versöhnung möglich wird. Umso wichtiger für das Land war es Ash zu hören, wie sie in ihrer Siegesrede sagte sie, wie stolz sie sei, ein «Aussie» zu sein.

Den Schlusspunkt unter die Australian Open 2022 setzte Rafael Nadal. Der Spanier schaffte das, was vor ihm noch niemand erreicht hat. Er siegte zum 21. Mal an einem Grand Slam Turnier. Somit hat er Roger Federer und Novak Djokovic mit je 20 Titeln abgehängt und ist nun alleiniger Rekordhalter. In einem spektakulären Match, der über 5 Stunden dauerte, schlug er den Russen Daniil Medwedew in 5 Sätzen. Ob er damit zum besten Tennisspieler aller Zeiten avanciert, bleibt wohl jedem und jeder selber überlassen. Schon lange wird darüber diskutiert, ob Federer, Djokovic, Nadal oder doch jemand der früheren Generationen zum Beispiel der Australier Rod Laver der «GOAT» (greatest of all times) des Tennis ist. Und die Frage wird wohl unbeantwortet bleiben. Jeder hat Unglaubliches geleistet. Dass ihm mit diesem 21. Titel ein Meilenstein gelungen ist, und dies erst noch nach einer schwierigen Verletzungsphase, das kann Nadal aber niemand mehr wegnehmen.

Darum ist klar, für diese zwei, Ashleigh Barty und Rafael Nadal, aber auch für ganz Australien war es also 2022 definitiv der Happy Slam, umso mehr als auch noch bei den Männern im Doppel ein australisches Team mit Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis, zwei Publikumslieblingen, gewann. Das Tennisjahr hat also spektakulär begonnen, wir dürfen gespannt sein, wie es weitergeht.

Nun bist du dran

Wer ist für dich der grösste Tennisspieler aller Zeiten? Nadal, Federer, Djokovic oder jemand anderes? Machst du selber auch eine Sportart und was hast du für Ziele? Was kommt dir in den Sinn, wenn du an Australien denkst? Möchtest du einmal dort hin oder warst du sogar schon mal dort?

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