Diagnose Autismus

23.11.2021
Kathrin Hausammann
Hören Sie

In diesem Artikel geht es um Menschen. Menschen mit der Diagnose „Autismus“. Autismus ist eine angeborene Entwicklungsstörung. Viele sprechen auch von einer Wesensart. Denn Autismus hat Auswirkungen auf das Wesen und das Verhalten eines Menschen. Was das genau bedeutet und wie autistische Menschen ihren Alltag meistern, darum geht es in diesem Artikel.

„Er lebt halt in seiner eigenen Welt“, „Sie kann den Menschen nicht in die Augen schauen“, „Er kennt alle Zugtypen der SBB auswendig“ – solche und ähnliche Aussagen könnten auf einen autistischen Menschen zutreffen. Autistische Menschen nehmen die Welt anders wahr als ihre Mitmenschen und sie verhalten sich anders. Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die angeboren ist und nicht geheilt werden kann. Es gibt jedoch nicht „den“ Autismus. Autismus ist ein Spektrum, sprich eine Verteilung von unterschiedlich ausgeprägten Merkmalen. Das bedeutet, jeder autistische Mensch ist anders. Einige sprechen zum Beispiel überhaupt nicht, andere haben sehr gute mündliche Sprachfähigkeiten, können jedoch nicht mit anderen Menschen umgehen. Heute spricht man deshalb von „Autismus-Spektrum-Störung“. Oder abgekürzt: ASS.

Wie erleben Autist*innen die Welt?

Autistische Menschen hören, sehen und fühlen die Welt anders. Ihr Gehirn filtert Reize anders. Sie nehmen Geräusche, Gerüche, Berührungen oder Licht intensiver oder schwächer wahr. In einem vollen Restaurant nehmen sie zum Beispiel alle Geräusche gleich laut wahr und können das Gespräch nicht herausfiltern. Oder sie empfinden Licht als grell und unangenehm. Das kann im Alltag sehr anstrengend werden und Stress, Angst oder Erschöpfung auslösen. Auch der Umgang mit anderen Menschen ist für Autist*_innen schwierig. Sie können sich nicht in andere Menschen hineinfühlen und Gesichtsausdrücke nicht richtig verstehen. Wenn jemand lacht, erkennen sie zum Beispiel nicht, ob es sich um ein herzliches, ein künstliches oder ein gemeines Lachen handelt. Sie verhalten sich daher oft nicht der Situation angemessen und vermeiden daher den Kontakt zu den Mitmenschen grad von vornherein. Autist_*innen können sich sehr in Details verlieren und haben daher Mühe, ihre Umwelt als Ganzes zu sehen und zu verstehen. Die vielen Reize um sie herum sind für sie oft zusammenhangslos und dadurch verwirrend.

Strukturen und Rituale

Für autistische Menschen sind Strukturen und Rituale sehr wichtig. Ein klar geregelter Alltag gibt ihnen Orientierung und Halt. Autist*innen wissen oft nicht, wie sie sich in unvorhergesehenen Situationen mit anderen Menschen verhalten sollen. Sie sind deshalb dankbar, wenn Abläufe immer gleich sind. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass jemand immer von der gleichen Person zur Schule begleitet wird oder dass es immer das gleiche Frühstück gibt. Regeln und Ordnung sind ebenfalls wichtige Stützen, um den Alltag zu meistern. So kann ein Autist lernen, dass man sich in unserer Kultur zur Begrüssung die Hand schüttelt, auch wenn er es nicht wirklich versteht. Und die autistische Schülerin fühlt sich wohler, wenn ihre Schreibsachen auf ihrem Pult immer genau gleich angeordnet sind.

Besondere Interessen und Fähigkeiten

„Er kennt alle Zugtypen der SBB auswendig“ – wie soll das gehen? Autistische Menschen haben oft ganz spezifische Interessen. Sie können sich dann total in dieses Thema vertiefen und sich mit grosser Ausdauer und Begeisterung damit befassen. Dabei sind sie äusserst konzentriert und fokussiert. So können auch aussergewöhnliche Leistungen daraus entstehen – zum Beispiel, dass ein autistischer Mensch bereits im Kindergartenalter seitenlange Klavierkonzerte spielt oder komplizierte Rechnungen löst. Ihr kennt vielleicht den genialen Physiker Albert Einstein oder die Umweltaktivistin Great Thunberg? Auch sie gehör(t)en dem Autismus-Spektrum an.

Teil unserer Gesellschaft

Autist*innen mit ihren besonderen Fähigkeiten können sehr gesuchte Mitarbeitende sein – gerade in der IT oder in den Finanzen, wo Genauigkeit, Ordnung und Logik sehr gefragt sind. Autistische Menschen können auch sehr kreativ sein – und dabei eine unglaubliche Ausdauer an den Tag legen. Es liegt jedoch am Arbeitgeber, oder generell an uns, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich der autistische Mensch in seiner Umgebung wohl fühlt und seine Stärken voll und ganz leben kann.

Arbeitsmaterial

Helfen Sie uns, Chinderzytig werbefrei und frei zugänglich zu halten!

Wir von der Chinderzytig möchten die Lesefreudigkeit fördern und nicht einschränken. Deshalb stellen wir unseren Inhalt gratis zur Verfügung.

Unterstütze uns