Es hat lange gedauert und den Einsatz tausender Menschen gebraucht. Ab morgen 1. Juli 2022 dürfen in der Schweiz auch homosexuelle Menschen heiraten. Das Gesetz, das die Ehe für alle vorsieht, tritt in Kraft. Endlich!
Das Wichtigste in Kürze
Wenn es einfach schnell gehen soll, dann findest du in diesem Kasten die Hauptaussagen des Artikels:
- Ab dem 1. Juli 2022 dürfen auch gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz heiraten.
- In der Abstimmung vom 26. September 2021 haben 64% für die Ehe für alle gestimmt.
- Weltweit ist die Ehe für alle nach wie vor nicht weit verbreitet. In rund 30 Ländern dürfen Frauen zu Frauen und Männer zu Männern «ja sagen».
Was vielerorts schon lange möglich ist, ist nun endlich auch in der Schweiz Tatsache. Ab dem 1. Juli 2022 können hierzulande auch zwei Frauen oder zwei Männer «ja» zueinander sagen. Gleichgeschlechtliche Paare können heiraten wie alle andern auch oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln lassen. Die Schweiz war lange ein schwarzer Fleck auf der Karte Europas. In den meisten unserer Nachbarländer ist die Ehe für alle seit einigen Jahren erlaubt, so zum Beispiel auch im katholischen Spanien (seit 2005) oder in Irland (seit 2015). Eine Pionierrolle hatten die Niederlande, welche es gleichgeschlechtlichen Paaren als erstes Land weltweit 2001 erlaubte, zu heiraten. Ausserhalb Europas haben in den letzten Jahren insbesondere Länder in Südamerika die Ehe für alle eingeführt. Auch in den USA, Kanada, Südafrika oder Australien können gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Total sind es weltweit nun 30 Länder, die es erlauben, dass Frauen Frauen heiraten und Männer Männer.
Am 26. September 2021 war es dann also auch bei uns so weit. Nach einer gross angelegten Kampagne hat die Schweizer Bevölkerung klar «ja» gesagt zur Ehe für alle. Die Befürworter hatten im Voraus mit Slogans wie «Es ist genug Ehe für alle da» oder «ja, ich will» geworben. Und die Argumente überzeugten die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer. Über 64% der Stimmenden sagten ja, zur Freude der 500'000 Menschen in der Schweiz, die schwul oder lesbisch sind. Viele hatten lange auf diesen Tag gewartet. Zwar hatte die Schweiz 2007 die eingetragene Partnerschaft eingeführt. So konnten gleichgeschlechtliche Paare ihrer Beziehung einen offiziellen, rechtlichen Rahmen geben, eine richtige Ehe war es aber eben noch nicht. Die Paare hatten zum Beispiel nicht die gleichen Rechte wie Ehepaare zwischen einem Mann und einer Frau im Bereich der gemeinschaftlichen Adoption. Auch im Bereich der erleichterten Einbürgerung, die im Falle einer Heirat zwischen einem Schweizer Staatsbürger oder einer Schweizer Staatsbürgerin und einer Person mit anderer Nationalität möglich ist, waren sie nicht gleichberechtigt. Mit der Annahme der Ehe für alle ändert sich dies nun.
Das neue Gesetz als Spiegelbild der heutigen Gesellschaft
Dass es so lange gedauert hat, mag erstaunen. Die Schweiz gilt generell als offenes und tolerantes Land. Homo- und Bisexualität sind in der Gesellschaft weitgehend anerkannt. Die Verfassung garantiert zudem das Rechte auf Ehe und Familie und verbietet Diskriminierung in jeglicher Form. Trotzdem war die Ehe Mann und Frau vorbehalten. Dadurch, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten durften, waren sie und ihre Kinder gesetzlich weniger gut abgesichert, beispielsweise wenn jemand von den Eltern stirbt. Für viele ist die Öffnung der Ehe deshalb ein nötiger und zeitgemässer Schritt. Er widerspiegelt unsere heutige Gesellschaft. Und es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass sich die Ehe wandelt. Früher wollte man sich mit einer Heirat zuerst einmal wirtschaftlich absichern. Romantische Gründe standen also nicht im Vordergrund. Dass jetzt die Liebesehe Standard ist, widerspiegelt ebenfalls einen Wandel der Gesellschaft.
Trotzdem gab es auch vor der Abstimmung im letzten Jahr noch viele Leute, die sich gegen eine Öffnung der Ehe aussprachen. Gegner hatten insbesondere Angst, dass so auch die Regeln in der Fortpflanzungsmedizin, also Samenspende, später Leihmutterschaft, gelockert würden. Sie argumentierten, dass ein Kind Vater und Mutter brauche um behütet aufzuwachsen. Das ist Unsinn und auch von Wissenschaftlern widerlegt: Kinder brauchen feste und liebevolle Bezugspersonen, welches Geschlecht diese haben spielt dabei keine Rolle. Gleichgeschlechtliche Paare können also genau so gute Eltern sein wie heterosexuelle. Mit der neuen Regelung steht die Samenspende künftig nun auch lesbischen Ehepaaren offen.
In anderen Bereichen gibt es aber nach wie vor Handlungsbedarf. So sind homosexuelle Personen in der Schweiz weiterhin Diskriminierung, die bis zur tätlichen Gewalt gehen kann, ausgesetzt. Die Ehe für alle sehen viele deshalb auch bloss als einen ersten Schritt auf dem Weg zu vollständiger Gleichstellung.
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