Hauptsache „retro“

1.11.2022
Kathrin Hausammann
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Warum etwas neu erfinden, wenn es auch mit alt Bewährtem geht? Man könnte meinen, in der Musik, im Film und in der Mode würde heute nur noch nach diesem Motto gearbeitet. Dieser Eindruck ist vielleicht gar nicht so falsch. „Retro“ liegt im Trend. Und hat ein ganz klares Muster.

Das Wichtigste in Kürze

Wenn es einfach schnell gehen soll, dann findest du in diesem Kasten die Hauptaussagen des Artikels:

  • Retro ist im Trend – in der Mode, in der Musik und im Film.
  • Retro verbindet Inhalte und Stile von früher mit Neuem.
  • Retro funktioniert, weil es vertraut und doch überraschend ist.

Vorab wollen wir klären, was „retro“ eigentlich heisst. Der Begriff kommt aus der lateinischen Sprache. Er bedeutet „rückwärts (gewandt)“. In der Mode bedeutet das, dass man sich an früheren Stilen orientiert, dass man diese nachmacht oder in ähnlicher Form wieder bringt. Aktuell sind zum Beispiel Schlaghosen wieder angesagt. Die sind oben schmal und unten weit. Die Schlaghosen wurden in der Hippie-Zeit der 70er Jahre weltberühmt. Und sie feierten bereits in den 90er Jahren ein Revival. Damals vor allem in der Techno-Szene, schrill und farbig. Ebenfalls wieder in den Schaufenstern zu sehen: die Rollschuhe der 80er Jahre – also diejenigen mit zwei Rollen vorne und zwei Rollen hinten und einem „Stopper“ vorne am Schuh. Wieso diese Rollschuhe plötzlich wieder in sind? Vielleicht weil sich die Käufer*innen gerne in ihre Jugend zurückversetzen lassen und in Erinnerungen schwelgen möchten?

In Erinnerungen schwelgen

Das funktioniert nämlich auch in der Musik. Vor wenigen Tagen trat eine der erfolgreichsten Boybands der 90er Jahre im Hallenstadion Zürich auf: die Backstreet Boys. Sie haben zwar auch in den letzten Jahren neue Musik herausgebracht, doch bekannt sind vor allem die Songs aus ihren Anfangszeiten. In der Musik funktioniert aber vor allem auch die Kopie. Sprich Musikerinnen und Musiker orientieren sich an bekannten erfolgreichen Melodien aus früheren Zeiten. Sie bauen diese Melodien in ihre eigenen Songs ein, aktualisieren vielleicht den Klang ein bisschen oder schreiben einen neuen Text dazu. Aktuelles Beispiel: „I’m Good (Blue)“ von David Guetta & Bebe Rexha mit der eingängigen Melodie von „Blue“ von Eiffel 65 aus dem Jahr 1998.

Neu gemixt zum Erfolg

Es gibt sogar Musiker, die ihre eigenen Songs überarbeiten und neu herausbringen. So zum Beispiel Elton John mit dem Song „Hold Me Closer“. Es handelt sich dabei um einen Dance-Hit mit Britney Spears. Der Song ist aktuell in der Schweizer Single Hitparade. Er ist ein Cover von Elton Johns Song „Tiny Dancer“ aus dem Jahr 1971. Interessant ist auch die Geschichte mit dem Song „Running Up That Hill“ von Kate Bush. Dank der Netflix-Serie „Stranger Things“, welche in den 80er Jahren spielt, landete der Hit aus dem Jahr 1985 in diesem Sommer auf Platz Eins der Hitparade. Noch nie war ein Nummer-Eins-Hit älter als dieser.

Vertraut und doch überraschend

Warum funktioniert das? Was gefällt uns an wieder „aufgewärmten“ Songs oder Melodien? Musikexpert*innen sprechen von Vertrautheit und Erinnerungen. Wir hören und sehen gerne Sachen, die wir irgendwie schon ein bisschen kennen. So fühlen wir uns schneller angesprochen, können schneller eintauchen. Vielleicht kommen Erinnerungen auf, die wir mit einem Song, mit einem Kleidungsstück oder einer Filmszene in Verbindung bringen. Das Vertraute muss dann aber mit einem modernen „Twist“ verbunden werden. Darauf zählen die heutigen Hit-Produzenten. Und deshalb wird es wohl auch in 30 Jahren wieder Hits mit Melodien von heute zu hören geben.

Arbeitsmaterial

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