Nachtzug – nach Lissabon oder sonst wohin

24.02.2022
Nicole Emch
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Am Abend in den Zug einsteigen, hoffentlich gut schlafen und am nächsten Morgen in einer anderen Stadt aufwachen, der Nachtzug macht das möglich. Auch wenn es sehr gemütlich tönt, wurden die Nachtzugverbindungen während Jahren immer weniger. Jetzt erlebt der Nachtzug aber ein Revival.

In seinem Roman «Nachtzug nach Lissabon» schickt der Schriftsteller Pascal Mercier den Lehrer Raimund Gregorius auf eine Reise in die portugiesische Hauptstadt Lissabon und auch ein bisschen zu sich selbst. Nicht nur Gregorius geht es so. Wer oft mit dem Zug unterwegs ist, weiss, es ist eine bequeme Art von A nach B zu kommen, in der man Zeit für sich selbst hat. Man kann gemütlich lesen, etwas für die Arbeit erledigen, mit Mitreisenden reden oder auch einfach aus dem Fenster schauen und die Landschaft vorbeiziehen sehen.

Der Zug stellt eine Alternative zum Flugzeug dar, eine gute Alternative. Während längerer Zeit ging der Trend eher in die andere Richtung. Das Ziel war es, immer schneller in andere Städte zu kommen. Die Flugreisen, insbesondere jene von Billiganbietern boomten: von Basel nach Lissabon für 50 CHF, von Genf nach London für 100 CHF. Solche Preise waren keine Seltenheit. Doch die grosse Zunahme im Flugverkehr hat auch negative Seiten. Die Umwelt leidet, der Klimawandel ist eine Realität und mit dem grösser werdenden Bewusstsein wurden auch kritische Stimmen laut. Andere Arten zu reisen, wurden wieder gefragter. Und da kommt der Nachtzug ins Spiel. Mit ihm können Städte in ganz Europa bequem erreicht werden. Am Abend in der Schweiz einsteigen, am Morgen in einer anderen Stadt aufwachen und dies meist mitten im Zentrum. Mit den Ferien oder dem Arbeitstag kann also sofort begonnen werden. Wie gut man im Zug schläft, hängt natürlich von der Person ab. Das leichte Ruckeln kann beruhigend wirken. Wenn ein Mitfahrer aber laut schnarcht, ist es auch möglich, dass man in der Nacht kein Auge zumacht. Für Leute, die nicht so gut schlafen, gibt es auch die Möglichkeit kleinere Abteile zu buchen. Das billigste Angebot ist normalerweise ein Platz in einem 6-er Abteil. Luxuriös wird es, wenn man nur zu zweit oder sogar allein reist, ein eigenes Bad ist dann im Abteil inklusive, eine Menu-Karte mit Essensvorschlägen gibt es auch.

Die Reise mit dem Zug nimmt auch noch einen anderen Trend auf, die sogenannte «Entschleunigung». Viele Leute wollen einen entspannteren Lebensstil, wollen nicht mehr immer mehr und alles immer schneller. Die Reise mit dem Zug ist da das perfekte Angebot. Nachdem die Verbindungen in andere Städte lange Zeit abgebaut worden waren, gibt es jetzt wieder mehr Orte, die von der Schweiz aus mit dem Nachtzug erreicht werden können. Leicht gebremst wurde diese Entwicklung von der Corona-Pandemie. Mit 5 fremden Leuten in einem Abteil zu übernachten, schien für viele nicht die optimale Reiseform. Die SBB will aber an ihrem Plan festhalten und weitere Städte ans Nachtzugnetz anbinden. Auch die Bundesverwaltung hat darauf reagiert. Wenn Beamte in Europa reisen und dies zeitlich möglich ist, soll künftig lieber der Zug als das Flugzeug gebucht werden.

Von der Schweiz in die Welt

Doch wohin gelange ich mit dem Nachtzug von der Schweiz aus? Dank der Zusammenarbeit mit den Zugunternehmen anderer Länder hat die SBB verschiedene Strecken im Angebot. Wer in Basel einsteigt, kann am nächsten Morgen schon die Hamburger Hafenluft schnuppern. Von Zürich gelangt man problemlos in einer Nacht nach Wien oder Amsterdam. Weitere Möglichkeiten sind Berlin, Hannover, Graz, Prag, Budapest, Ljubljana und Zagreb. Geplant ist, das Angebot weiter auszubauen.

Auch in anderen Ländern ist es möglich mit dem (Nacht-) Zug zu reisen. Der «Ghan» zum Beispiel führt einmal der Länge nach durch ganz Australien, von Darwin im Norden nach Adelaide im Süden. 4 Tage dauert die ganze Reise, auf der man die spektakuläre Landschaft des australischen Outbacks bequem durchs Fenster beobachten kann. Eine der bekanntesten Eisenbahnstrecken überhaupt ist sicher die der transsibirischen Eisenbahn. Wer hier die ganze Strecke von Moskau nach Peking mitmacht, verbringt insgesamt fast eine Woche im Zug.

Wenn man Pech hat, kann die Reise im Zug aber auch in einem wahren Krimi enden, wie im Buch «Mord im Orient-Express» von Agatha Christie.

Sei es in Europa oder weiter weg, dem nächsten Abenteuer im Zug steht also nichts im Weg.

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