Oh (Tannen-)baum!

11.01.2022
Nicole Emch
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Bäume, besonders Tannenbäume haben jeweils im Dezember ihren grossen Auftritt. In der Adventszeit werden sie überall mit Lichtern geschmückt und mit Kugeln dekoriert und sorgen so für festliche Stimmung. Nun ist Weihnachten vorbei, die Tannenbäume werden entsorgt und manch einem anderen Baum blüht ein ähnliches Schicksaal. Er muss aus dem einen oder anderen Grund gefällt werden. Dies löst immer wieder heftige Konflikte aus.

Stadtbäume

In Bern zeigt sich momentan eine Situation, die in der ganzen Schweiz immer wieder auftritt. Baumfreunde und Behörden stehen sich im Streit gegenüber. Was ist passiert? Am Muristalden, der Strasse, die zum bekannten Bärengraben hinunterführt, müssen 5 grosse, alte Platanen gefällt werden. Ein schwerer Einschnitt in die Allee, die diese Strasse säumt, für viele traurig, ja gar unbegreiflich. Immer wieder führen solche Entscheide zu hitzigen Diskussionen. Ist es wirklich nötig, die Bäume zu fällen? Gäbe es keine andere Lösung? Die Gründe, warum ein Baum weg muss, sind unterschiedlich. Zum Teil stehen Bauprojekte dahinter, etwa, wenn neue Tramschienen oder elektrische Leitungen verlegt werden. Letztes Jahr standen sich, ebenfalls in Bern, Gegner und Befürworter eines neuen Bahnhofeingangs gegenüber. Ein Grund, weshalb sich viele gegen das Bauprojekt wehrten, war, dass dafür eine ganze Reihe altehrwürdiger Parkbäume gefällt werden muss. Doch nicht nur wenn gebaut wird, kann es nötig sein Bäume zu fällen. Die 5 Platanen am Muristalden zum Beispiel müssen weg, weil sie krank sind. Die Bäume sind hohl geworden. So werden sie zum Sicherheitsrisiko. Was wäre, wenn der Baum plötzlich umfällt und Leute verletzt? Aus Vorsicht greift die Stadt in solchen Fällen lieber zur Säge. 179 Bäume sollen allein in diesem Frühjahr gefällt werden. Erledigt werden diese Arbeiten, wenn möglich im Winter, damit keine nistenden Vögel gestört werden. Dafür erhalten die zuständigen Personen immer wieder wütenden Briefe, gar Morddrohungen hat es gegeben. Doch warum löst das alles so grosse Emotionen aus?

Wer Bäume fällt, sei ein Naturfeind, denke nicht an morgen und zerstöre den Lebensraum für Vögel, sagen einige Gegner solcher Aktionen. Was noch dazu kommt: Ein grosser alter Baum dient vielen als Symbol für Wachstum, für erreichte Ziele, für zurückgelegte Wege. Zum Teil wählen ihn Konfirmanden für Ihre Konfirmationsbilder aus, auch in Kalendern oder Motivationsbildern sind häufig Bäume zu sehen. Sie vermitteln ein Gefühl von Ruhe, von Sicherheit und von einem Überdauern der Zeit. Ein Baum, der heute 20 Meter hoch ist, ist gerne mal 200 Jahre alt oder älter. Er ist also quasi ein stiller Zeuge aus einer anderen Zeit. Wenn diese Zeugen verschwinden, verschwinden für viele auch Erinnerungen an eine frühere Zeit und deren Erlebnisse.

Was passiert eigentlich mit unseren Tannenbäumen?

Doch zurück zu unseren Tannenbäumen. Anders als Allee-Bäume, die dort jahrelang stehen sollen, werden viele von ihnen extra gepflanzt, um an Weihnachten in unserer Stube zu stehen. In den ersten Januartagen sieht man sie dann überall am Strassenrand: Weihnachtsbäume, die langsam braun werden, ihr grosser Auftritt mit Kugeln und Lichtern ist vorbei und nun warten sie auf die Grünabfuhr. In einer Industriekompostieranlage werden sie zu Dünger verarbeitet. Wer sich ein anderes Schicksal für seinen Baum wünscht, kann auch mal bei Bauernhöfen anfragen. Alpakas, zum Beispiel, lieben offenbar die knackigen Nadeln unserer Tannenbäume.

Und wer am liebsten gar keine Bäume wachsen lassen will, um sie dann gleich wieder wegzuwerfen, hat seit einigen Jahren die Möglichkeit, einen eigenen Baum im Topf zu kaufen und über Jahre zu behalten. Je nach Angebot bleibt der Baum das ganze Jahr über bei der Familie oder wird jeweils vor Weihnachten angeliefert und danach wieder abgeholt, damit er bis zum nächsten Dezember gehegt und gepflegt wird. So wird der Baum jedes Jahr ein bisschen grösser und kann jedes Jahr 1-2 Kugeln mehr tragen. Über diese Tradition sollten sich sicher alle freuen können, Behörden und Baumfreunde.

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