Wenn Menschen zur Ware werden

20.10.2021
Nicole Emch
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Der 18. Oktober ist der Europäische Tag gegen Menschenhandel. An diesem Tag wird in ganz Europa daran erinnert, dass es noch immer Menschen gibt, die von anderen verkauft und ausgebeutet werden. Auch wenn es kaum vorstellbar ist, Menschenhandel gibt es auch bei uns in der Schweiz.

Beim Wort «Sklavenarbeit» denken wahrscheinlich die meisten an die Kolonialzeit. Damals wurden Menschen aus Afrika auf den amerikanischen Kontinent gebracht, um dort als Sklaven auf den Feldern oder in den Haushalten ihrer Besitzer zu arbeiten. Denn diese Menschen waren nicht frei, sie gehörten einer anderen Person, waren also das Eigentum ihrer Besitzer. Die Arbeitsbedingungen waren schrecklich. Sie mussten stundenlang arbeiten ohne Pause, wurden nicht versorgt, wenn sie krank wurden, lebten in grossen Gruppen in kleinen, schäbigen Hütten. Das Leben der Sklaven war ihren Besitzern praktisch nichts wert. Sie wurden verkauft wie Waren, als wären sie ein Stück Fleisch oder ein Sack Getreide.

Auch wenn der Sklavenhandel im 19. Jahrhundert verboten wurde, gibt es auch heute noch Millionen von Menschen, die in ähnlichen Verhältnissen leben müssen. Sie werden verkauft, ausgebeutet und müssen für andere arbeiten. Man spricht deshalb beim Menschenhandel auch von «Moderner Sklaverei». Wie gross dieses Verbrechen ist, zeigt sich an den folgenden Zahlen. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 40 Millionen Männer, Frauen, Jungen und Mädchen betroffen sind. Menschenhandel gibt es überall auf der Welt. Und es ist ein Geschäft, mit dem sich viel Geld verdienen lässt, viele Milliarden Dollar jährlich.

Von Menschenhandel wird gesprochen, wenn ein Mensch unter Zwang oder der Vortäuschung falscher Tatsachen ausgebeutet wird. Die Formen dieser Ausbeutung sind ganz unterschiedlich: Frauen werden zur Prostitution gezwungen, Männer als billige Arbeitskräfte auf Baustellen oder in Restaurants ausgebeutet oder Kinder zum Betteln gezwungen. Mit im Spiel sind fast immer Gewalt, Täuschung und Drohungen. Dabei nutzen die Täter die ausweglose Situation der Opfer aus. Diese leben oft in Armut und Not, haben keine Ausbildung und keine Arbeit. Sie träumen von einer besseren Zukunft und fallen deshalb leicht auf die falschen Versprechen der Täter herein. Sobald die Opfer in die Falle getappt sind, kommen sie selbst kaum mehr heraus. Denn Menschenhandel spielt sich im Verborgenen ab, eine Mehrheit der Opfer wird nie erkannt. Dass dies nicht weiter so ist, dafür gibt es Tage wie den europäischen Tag gegen Menschenhandel, an dem die Öffentlichkeit auf diese Verbrechen aufmerksam gemacht wird.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Viele glauben, dass es Menschenhandel bei uns nicht gibt. Hier, wo wir so stolz auf unsere Demokratie und Freiheit sind und wir in Reichtum leben, kann es so doch nicht sein, dass Menschen andere so brutal ausbeuten. Die Wirklichkeit ist leider eine andere. Auch hier leben zahlreiche Menschen, die in einer Ausbeutungssituation gefangen sind und sich alleine fast nicht daraus befreien können. Oft sind die Geschichten ähnlich wie dieses Beispiel: eine junge Frau aus einem osteuropäischen Land findet keinen Job, nachdem sie die Schule abgeschlossen hat. Da sie dringend Geld verdienen und ihre Familie unterstützen möchte, ist sie froh, als ihr ein «Freund» eine Arbeit als Babysitterin in der Schweiz anbietet. Der Transport in die Schweiz wird organisiert, sie muss sich um nichts kümmern. In der Hoffnung auf ein besseres Leben nimmt sie das Angebot an. Kaum ist sie in der Schweiz angekommen, zeigt sich, dass alles nur eine Lüge war. Die Familie, bei der sie arbeitet, nimmt ihr als erstes den Pass weg. Anstatt die zwei Kinder zu betreuen, muss sie die ganzen Haushaltsarbeiten alleine erledigen. Sie putzt, kocht und wäscht den ganzen Tag, ohne Pause. Schlafen muss sie auf einer dünnen Matte im Kinderzimmer, als Nahrung erhält sie nur Reste der Familie. Sie hat keine Freizeit, darf nicht alleine aus dem Haus. Ihr war ein guter Lohn versprochen worden, in Wirklichkeit erhält sie gar kein Geld. Als sie versucht sich zu wehren, wird sie geschlagen. Zudem wird ihr gedroht, dass die Polizei sie aus dem Land werfen werde, wenn sie irgendjemandem etwas sagt. Auch sagt man ihr, dass der Familie im Heimatland etwas passieren werde, falls sie flüchten sollte. Die Frau ist so eingeschüchtert, dass sie sich nicht getraut etwas an ihrer Situation zu ändern.

Auch bei uns ist Menschenhandel strafbar, die Opfer erhalten Unterstützung. Doch auch hier ist ein grosses Problem, dass viele Opfer gar nie entdeckt werden. Um dies zu ändern finden im ganzen Monat Oktober Veranstaltungen und Aktivitäten statt, die die Menschen auf dieses Thema aufmerksam machen und uns motivieren, uns für die Opfer einzusetzen. Sie brauchen uns!

Nun bist du dran

Wusstest du, was Menschenhandel ist? Hättest du gedacht, dass es dieses Verbrechen auch bei uns gibt? Was löst es in dir aus, wenn du weisst, dass Menschen verkauft werden, als wären sie ein Stück Fleisch?

Sprich darüber – und melde dich doch auch bei uns. Entweder mit einem Kommentar in der Kommentarspalte, auf Facebook oder durch unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Rückmeldungen.

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